In Unterführungen spielt sich das wahre Leben ab: Den Ticketautomaten anvisierende Menschen zählen ihre Münzen und verschaffen sich so einen folgenreichen Überblick über ihre Liquidität, wobei sie nichts als die nackte Wahrheit erleben. Weekend Warriors, die werktags zu kurz kommen, prüfen hier ihren Mut, in dem sie, angestachelt von Ethanol und heller Beleuchtung, durch die hallenden Gänge johlen und so einen kurzen Augenblick ungetrübter Männlichkeit erfahren. Per Schienenverkehr angereiste Raucher laufen mit noch nicht entzündeter Zigarette an die frische Luft, wo sie sich endlich mal wieder unfrische Luft einverleiben können. Kurz vor dem Aufstieg in die Oberwelt ist hier den Augenblick gekommen, die Hose nochmals hochzuziehen, den knappen Rock doch noch provisorisch über den gesamten Arsch zu ziehen etc.pp., das ungeschriebene Gesetz des ersten Eindrucks befolgend, das demnächst am Treffpunkt in der Bahnhofshalle zur Geltung kommt.
Doch nicht für jeden ist die Unterführung der Tunnel ins Nachtleben, manch einer beendet selbiges in ihr, wobei das ja auch schon wieder pervers klingt. Apropos Sekrete, zurück zum Thema. Man spuckt ein letztes Mal auf den Boden, kotzt vielleicht noch hinter den Fahrplan oder zielt übriggebliebene Cheesburger-Papierchen anderthalb Meter neben den Mülleimer, ist doch egal, scheissegal, ab nach Hause, kacken und schlafen gehen.
Unterführungen bieten spektakuläre Kontraste, sie laden Spannung auf oder bauen Druck ab. Nur der gemeine Spiessbürger währt auch hier seinen Normaloschein und beugt sich wie gewohnt dem gesellschaftlichen Diktat der Mülltrennung, in dem er sein Sinalco vorsichtig auf den Pet-Turm legt. Lässig!