Drama des Nachtlebens

Diese Geschichte basiert auf einer wahren Verlegenheit: Sonntagmorgen, 3.15 Uhr, Typ steht auf der Brücke und kotzt eine Mischung aus Dönerbox, Vodka RedBull und Magensäure auf die Strasse runter. Hauptstrasse in der Stadt, 60 km/h innerorts, zweispurig, keine Ahnung, kenne mich da nicht so aus, habe keinen Führerschein, das heisst, ich habe die Autoprüfung zwar im zweiten Anlauf bestanden, allerdings die obligatorischen Wiederholungskurse (ergonomisches Einparken, Bedienung des Autoradios, politisch korrektes Abbiegen) nicht absolviert und musste den Führerschein wieder abgeben. Das heisst, ich musste ihn nicht abgeben, er ist einfach nicht mehr gültig.

Auf jeden Fall steht dieser Typ auf der Brücke und kotzt auf die Strasse. Das heisst, bereits der zweite Kotzstrahl kommt nicht auf der Strasse, sondern auf der Windschutzscheibe eines VW Golf an. In der Folge überschlagen sich die Ereignisse. Immer gut, wenn man den Teaser, das sich demnächst die Ereignisse überschlügen, in sein Narrativ einbauen kann, Storytelling auf höchstem Niveau, unerhörte Begebenheit im dritten Akt, los geht’s: Fahrer bremst ab, steigt aus, guckt nach oben und erhebt die Faust, während er ein paar herkömmliche Fluchwörter rezitiert. Blöderweise hat der Fahrer hinter ihm nichts von der Vollbremse mitgekriegt, und er fährt ihm in die Hinterachse. Das heisst, nicht ihm, sondern seinem VW Golf. Jetzt streiten sich die beiden Autofahrer, während der ehemals Kotzende zu Boden sinkt und wegdöst.

Ein paar Minuten später, vierter Akt, ist die Polizei eingetroffen, bereit, den Papierkrieg zu eröffnen. Formulare satt. Aber vorher bitten sie die beiden Fahrer zum Alkoholtest. Interessanterweise haben beide etwas zu viel Promille im Blut. Sie müssen ihre Papiere zeigen, Personalien werden aufgenommen, Führerscheinentzug ahoi.

In der Zwischenzeit, Schlussakt, hat sich der Betrunkene, unser vermeintlich gefallene Held, auf der Brücke wieder aufgerichtet. Das Blaulicht hat ihn aus seinen Träumen gerissen. Er ruft «Scheiss Bullen» runter und torkelt, durch Erbrechen und Powernap und Restalkohol auf dem Höhepunkt der guten Laune, in Richtung Dönerladen. Er bestellt eine Dönerbox und ein Wasser ohne. In der Folge versucht er noch, ein paar Frauen mit abgedroschenen One-Linern zu überzeugen, dass er Mr. Right fürs Leben oder zumindest Mr. Right für diese eine Nacht sei. Vergebens. Die Nacht ist längst vorbei.

Titelbild von Amberskybrown.

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