Heute bin ich einem kleinen Draufgänger begegnet, höchstens 5 Jahre alt. Und zwar in der Schlange am Postschalter. Ich komme rein, stelle mich hinten an, er (bisher mit seiner Mama am Ende der Schlange) dreht sich um, guckt langsam an mir hoch, schaut mich dann mit cooler Miene an und sagt: «Schuhe!» Ich verstehe zunächst nicht, worauf er hinauswill. Will er mir Schuhe verkaufen? Ein Angebot machen, dass ich nicht abschlagen kann? Hat er Drogen in seinen Schuhen versteckt? – Seine Mutter: «Du musst jetzt nicht der ganzen Welt erzählen, dass du neue Schuhe hast.» – Jetzt verstehe ich, und sage: «Wow, du hast neue Schuhe? Die sind ja wirklich klasse!» Er grinst selbstbewusst und wendet sich ab. Okay, 1:0 für dich, kleiner Stinker. Meine weissen Turnschuhe haben in den Winterwochen Schaden genommen, während du mit deinen roten Mini-Sneakers nun natürlich die Postwelt aufmischst, jaja, ist okay.
Ein paar Minuten später kreuzen sich unsere Wege beim Ausgang erneut. Im Schneckentempo steigt er die grosse Treppe herunter. Langsam wie eine alte Oma, trotz lässiger Schuhe. Nachdem er in der Postschlange noch anstehen musste, eröffnet er nun auf der Treppe seine eigene Schlange. Seiner Mutter ist dies natürlich unangenehm: «Nächstes Mal am Geländer festhalten, dann kannst du etwas schneller gehen.» Er: «Nein.» Einfach nein. Ganz schön aufgeblasen, der Kurze, aber irgendwie auch geil. Nonchalante Lässigkeit will früh geübt sein. Du wirst es weit bringen, mein Sohn!
Doch der Höhepunkt kommt noch: Während seine Mama das soeben entgegengenommene Paket im Kofferraum verstaut (verstauen, was für ein Scheissverb, Kategorie «einfallsloser Journalist»), springt er mit Anlauf in eine Pfütze. Ich: «Das war es dann wohl mit den neuen Schuhen.» Mutter: «Ja, allerdings». Wir werfen uns einen verschwörerischen Blick zu, während sich der Kleine langsam den Konsequenzen seines kindlichen Übermutes bewusst wird.
1:1 in letzter Minute!