Feierabend, 22 Uhr, Lars Lässig sitzt in seiner Stammbar und malt nach Zahlen. Das hat ihm die Ärztin geraten. Nach Zahlen malen, um abends besser abschalten zu können.
Die 1 ist Grün, die 2 ist Rot, die 3 ist Blau, und so weiter.
Da erblickt er diagonal gegenüber einen Businessherren, der ihn zu beobachten scheint.
Lars lächelt ihm zu, der Typ grinst zurück. Lars macht einen Augenaufschlag, der Typ zwinkert. Lars fährt sich mit der Zunge über die Lippe, der Typ zückt sein Handy. Lars öffnet den obersten Knopf seines hellblauen Hemdes, der Typ schiesst ein Foto.
Ist jetzt natürlich schwierig zum Abschalten, wenn diagonal gegenüber ein potenzieller Sugar Daddy sitzt.
Aber es kommt noch besser: Der Daddy nimmt seine Aktentasche, steht auf, läuft zu Lars herüber und setzt sich neben ihn. Er legt ihm die Hand auf den Schenkel, guckt ihm tief in die Augen und flüstert dann:
«1 ist nicht Grün, sondern Patinagrün. 2 ist nicht Rot, sondern Marsrot. 3 ist nicht Blau, sondern Azurblau!».
Er holt aus seiner Mappe eine dreistöckige Farbstiftschachtel vom Branchenprimus Caran d’Ache. 3×40 Farben, insgesamt 120 Stifte!
«Diese Stifte befriedigen professionelle ebenso wie Hobby-Künstler», zitiert er einen Webtext des Schweizer Unternehmens.
«Ob du ein Professioneller bist oder Hobby-Künstler, weiss ich zwar nicht.» Er drückt dem verdutzten Lars einen Kuss auf den Mund und verabschiedet sich dann.
Lars wird heute Nacht bestimmt gut schlafen. Als er noch einmal an diese bizarre Begegnung zurückdenkt, wird er rot im Gesicht. Marsrot.
Bild von Meltwater.
Nach Zahlen malen? Merke ich mir!
Eifach wieder nur guet!
Von meinem iPhone gesendet
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