Haha! Ich musste ja tatsächlich 30 werden, um mich auch mal mit lackierten Nägeln, geschminkten Augen oder Halsband aus dem Haus zu trauen. Und vielleicht muss ich 35 werden, um auch mal in Strümpfen, High Heels und Rock unter die Leute zu gehen. Und vielleicht 40 werden, um endlich meine Traumfrau zu heiraten und dabei selbst ein schönes Kleid zu tragen, haha. So sehr ich Mann bin und mich als Mann fühle – ich will einfach mehr erleben als das, was Normen, Traditionen und Stereotypen für mein Leben vorgesehen haben.
Dafür musste und muss ich mir viel Mut aneignen. Mit kleinen Schritten beginnen. Mal eine Leggings bestellen. Sie dann zu Hause ausprobieren. Dann ein Foto veröffentlichen. Dann mal eben an die Tankstelle damit. Dann den ganzen Samstag in Leggings raus. Dann so zur Arbeit. Das Gleiche mit Nagellack und Make-Up. Bei Strümpfen und Heels bin ich momentan bei Step 3, den Fotos. Gebt mir Zeit. Viel Zeit! Es gibt sowieso Millionen Menschen, die viel mutiger als ich sind. Und trotzdem kriege ich – neben irritierten Blicken und dummen Sprüchen – auch sehr viel positive Resonanz. Dafür, dass ich zu mir stehe, Farbe ins Leben bringe oder gar andere ermutige. Diese Komplimente muss ich aber spätestens mit diesem Post endlich zurückgeben.
Danke? Danke zurück!
Meine Heldinnen und Helden sind all jene, die auf Neues, Anderes oder Ungewöhnliches wohlwollend reagieren. Die dir positive Resonanz geben, die den persönlichen Kontakt mit dir suchen, die Fragen stellen oder beantworten, die liken und teilen, die auch mal konstruktive Kritik anbringen, die den Faden weiterspinnen, die dich feiern oder hinterfragen, die sich in welcher Form auch immer damit auseinandersetzen. Ihr eben! Ihr Familienmitglieder, Freunde, Kollegen, Bekannte, Blogleser*innen und vor allem Twitter-Follower*innen. Ihr seid meine Vorbilder. Oder: Du bist mein Vorbild!
Wenn mir also in Zukunft wieder Menschen schreiben, dass ich ihnen und anderen Mut mache, schreibe ich ab sofort zurück: «Du auch. Du machst mir Mut. Und nur darum kann ich anderen Mut machen».
Wenn wir die offene Gesellschaft wollen, funktioniert das nur so: indem wir uns gegenseitig ermutigen!
Und jetzt entschuldigt mich, ich fühle mich nach diesem Post gerade sehr unmännlich! Muss kurz ein paar Kaffeebohnen kauen, auf einen Baum klettern und ein paar Machosprüche in die Welt posaunen.
PS: Man sagt ja gerne: «Kleide dich so, wie du dich wohlfühlst». Duden sagt zu Wohlfühlen: «Sich in seinem Wohlfühlen durch nichts beeinträchtigt fühlen». Böse Blicke, dumme Sprüche oder Getuschel können das Wohlbefinden durchaus beeinträchtigen. Also ist es für mich leider noch oft ein Unterschied zwischen Kleidung, die mir selbst gefällt, und Kleidung, in der ich mich wohlfühle. Noch …