Was geht ab in der City?

Winterthur, 17 Uhr

ich will gerade in die city, um einen doppelten espresso zu holen und gedichte zu schreiben, doch die inspiration kommt schon im eigenen quartier.

die jugend ist mit e-scootern angereist und hört balkan-trap auf dem schulhausplatz. „der song ist so krass!“, das R wird weit vorne gerollt. „so smooth. jetzt, der übergang, mann!“, schwärmt der anführer der über-gang.

übergang von frühling zu sommer, von shutdown zu normalität. testosteron-partytime. dauerfeuchte eicheln, dicke eier, nächtliche pollution, undercuts, enge camouflage-shirts in XS spannen sich über die aufgepumpten 31er-bizepchsen, einer täuscht einen kinnhaken vor: „brate, pass auf“, sagt der andere und spuckt.

toxisch männliche männlichkeitsfindung auf dem schulhausspielplatz.

Zürich, 19 Uhr

sonntagabend, kurz vor 7 am hauptbahnhof zürich. gutaussehender endvierziger mit mittellangen grauen haaren nimmt seine sonnenbrille ab, um den fahrplan zu studieren, und schüttelt den kopf.

der dandy im weissen hemd mit schwarzem kragen unter dem karrierten sakko ist unzufrieden. auf seinen dunkelblauen designerjeans fliegt eine bunt gestickte schwalbe richtung knie, seine dunkelblauen sneakers tragen braune wildleder-elemente. alles sitzt, alles stimmt – ausser der fahrplan.

er zückt sein blackberry und tätigt einen anruf, während er das richtige gleis sucht. er ist gereizt, ohne die contenance zu verlieren. das würde einem mann seines kalibers nie passieren. doch, würde es. aber es darf nicht. passt nicht zum gesamtauftritt.

Bild von qwesy qwesy.

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