Ankunft der Working Class

Heute Abend sitze ich in einem Strassencafé am Hauptbahnhof Winterthur. Am hellblauen Himmel hat es viele weisse Wölkchen mit etwas Silbergrau drin, als hätte eine Malerin mit der Nass-in-Nass-Technik einen 3D-Effekt zeichnen wollen.

Es windet ein wenig, und endlich kann ich mir meinen neuen bequemen Adidas-Pulli überstreifen.

Gelenkbusse fahren ein oder weg, und die grosse blaue Tafel mit den Abfahrtszeiten der Züge zeigt in gelber Schrift zwei Verspätungen an. Unter der Tafel gehen Menschen die Treppe der Unterführung hoch – ein Zug ist gerade angekommen, pünktlich, und hat die Working Class ausgespuckt. In 12 Stunden steigen sie dann wieder ein.

Eine junge Frau wirft ihre Zigarette an eine Infotafel. Sie prallt ab und bleibt am Boden liegen. Also die Zigarette.

Ein Polizist stellt sein Motorrad ab, wo nur Polizisten ihre Motorräder abstellen dürfen, zieht den Helm aus und guckt sich um. Eine Frau und ein Mann der Bahnsecuritas gehen auf ihn zu und verwickeln ihn in ein Gespräch. Gleich und gleich gesellt sich ja gerne.

Apropos: Wenige Meter weiter links unterhalten sich drei Taxifahrer, während sie auf Kundschaft warten. Zwei lehnen sich ans Auto an, der dritte steht ihnen mit verschränkten Armen gegenüber. Er hat lange blonde Locken, braune Haut und trägt eine enge hellblaue Skinny Jeans. Er gehört auf ein Brett, nicht in ein Taxi, so will es zumindest das Klischee.

Ein Junge hat vier Löcher in den Jeans, seine Kollegin eher vierzig. Generation Z zeigt Knie, die Generation danach, die noch keinen Namen hat, trägt wieder bauchfrei, so wie es die ersten Vertreterinnen der Generation Y Ende der Neunziger auch gemacht haben.

Ein alter Herr hat rote Hosenträger über sein rotes Shirt mit dem Konterfei von Che Guevara gespannt. Er setzt sich an den Tisch neben meinem und schnäuzt sich erstmal ausgiebig.

Die Zigarette liegt immer noch an der gleichen Stellen, doch mittlerweile ist von dutzenden Schuhsolen richtig flachgedrückt. Ich zahle und gehe weiter. Die Zigarette lasse ich aus.

Bild von JoachimKohlerBremen.

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