An Christi Himmelfahrt sitze ich mit meiner Freundin in einem Café. Beziehungsweise vor dem Café, bei 20 Grad und Sonnenschein. Die Geräuschkulisse wird durch Sätze wie «Unser Garten ist Gold wert», «Das beste Frühstück ist kalte Pizza vom Vorabend» oder «Ich kann erst chillen, wenn ich am See bin» dominiert. Auch wenn die Welt mal untergeht, die Hipster werden überleben. Hipster und Ratten. Zähe Viecher! Wobei, nichts gegen Ratten.
Der Tisch neben uns bleibt eine halbe Stunde lang leer, dann wird er von drei echten Unikaten besiedelt.
Darf ich vorstellen: Blonde MILF, zwischen 60 und 75 Jahre alt, schwer einzuschätzen, da viel Make-Up, falsche Nägel, zweite Brüste und dritte Zähne – aber trotzdem noch in Schuss irgendwie.
Dann ihr Ehemann, das schlechtgelaunteste Wesen seit dem Grinch. Nur ist heute keine Weihnachten. Der Goldküstengrinch trägt ein verschwitztes Poloshirt über dem dicken Bauch und ein dickes Portemonnaie am dicken Po, haha. Der Reichtum dringt aus allen Poren.
Der Enkel hingegen ist richtig süss, ca. 7 Jahre alt und mit Marvel-Baseballcap auf dem Lockenhaupt. Noch …
Opa zum Jungen: «Zieh deine Mütze ab!»
Der Junge zieht sie ohne Widerspruch ab und reicht sie seinem Opa. Aber dieser pocht nicht etwa auf gute Manieren, sondern zieht sich die Mütze selbst an, als Sonnenschutz. Guter Satz: Junge tritt Kappe an Oberhaupt ab. (Kappe/Haupt, haha). Noch mehr direkte Rede:
Opa zum Jungen: «Was willst du?»
Junge: «Ein Sprite.»
Opa: «Was?!»
Junge: «S-P-R-I-T-E.»
Kellner: «Wir haben keine Sprite. Aber ich bringe dir eine leckere Citro.»
Milf: «Also: Ein Citro für ihn hier, eine Cola Zero für ihn da – und ein Wasser ohne für mich.» Wasser ohne, das einzige Getränk, welches den Alterungsprozess nicht weiter beschleunigt.
Keine 60 Sekunden später kommt der Kellner schon mit den Getränken zurück. Er sieht im säuerlichen Alten wohl eine Goldgrube. Nur ja keine Fehler machen, speditiv und freundlich bleiben, vielleicht springt ein richtig gutes Trinkgeld raus.
Der Opa nimmt einen ersten und letzten Schluck von seiner Cola Zero und spuckt ihn sogleich ins Glas zurück.
Zum Jungen: «Frag den Kellner, ob das wirklich Zero ist.»
Der Junge eilt ins Café (eilender Gehorsam) und wieder zurück und bestätigt dem Opa: «Ja, ist Zero». – Opa: «Das kotzt mich an, echt. Schmeckt das scheisse.» Da kann der Junge doch nix für. Anmerkung der Redaktion: Es eine Schweizer Cola, die hier serviert wird. Aber nur die echte US-amerikanische Coca-Cola schmeckt dem Alten kapitalistisch genug. Er wirft seiner (vierten?) Frau einen 20-Franken-Schein vor die manikürierten Hände und ergänzt diese widerliche Geste mit den Worten: «Gehst du zahlen bitte?» Sie macht’s. Natürlich. Als sie zurückkommt, stösst der Junge seine Citro um. Was für ein Nachmittag! «Können wir endlich gehen?», fragt sie nur 5 Minuten, nachdem sie gekommen sind, und ich frage mich, ob sie nur das Café verlassen oder ganz aus dem Leben scheiden will. Ihr Fleisch sagt: Ich will für immer Jung bleiben. Ihr Geist sagt: Ich will sterben. MILFs Himmelfahrt.
«In drei Minuten beginnt sowie der Film», sagt der Junge, und meint damit Asterix und das Geheimnis des Zaubertranks. Die drei stehen auf. Und es bleibt für immer ein Geheimnis, warum keiner der drei auch nur einen Schluck seines Zaubertranks genommen hat. Film ab.
Bild von Tranquil Garden.